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Paestum

Die Geschichte des Cilento verdichtet sich in Paestum wie an wenigen anderen Orten. Nicht nur erlaubt eine moderne Abteilung des Archäologischen Museums Rückblicke in die Stein- und Bronzezeit, auch war Paestum im 18. Jh. eine der Geburtsstätten des modernen Tourismus, woran im nahen Capáccio das (von der Schließung bedrohte) Museo del Grand Tour erinnert. Die großartigen Tempel, denen heute noch die damals verliehenen Namen anhaften, versperrten lange Zeit den Blick auf die restliche Stadt. Mit systematisch-wissenschaftlichen Ausgrabungen wurde erst im 20. Jh. begonnen. Die über weite Strecken gut erhaltene antike Stadtmauer umgibt eine Fläche von 25 ha, davon ist nur ein geringer Teil im Zentrum rund um die drei Tempel freigelegt.

Jahrhundertelang standen die Ruinen von Paestum vergessen im Sumpf, bis sie 1752 bei Straßenbauarbeiten wieder "entdeckt" wurden – als Seezeichen waren die hoch aufragenden Tempel wohlbekannt. Die Nachricht von den drei hervorragend erhaltenen griechisch-dorischen Tempeln, nur einen Tagesausflug südlich von Neapel, war eine Sensation, welche die Gemüter der Antikebegeisterten erregte. In Scharen machten sich kunstsinnige Reisende, Architekten und Vedutenzeichner auf nach Paestum, und bald kursierten begeisterte Reisebeschreibungen und Stiche in Europa. Die architektonischen Studien der Tempel lieferten die Vorlage vieler klassizistischer Bauten und hatten einen erheblichen Einfluss auf die Kunstentwicklung des 18. und 19. Jahrhunderts.

Das Gebiet der antiken Stadt ist vollständig von der gut erhaltenen, insgesamt 4750 m langen Stadtmauer umgeben. Der Hauptzugang in das Ausgrabungsgelände liegt an der Via Magna Grecia, dem Archäologischen Museum schräg gegenüber. Von der Straße aus kann man bereits die hoch aufragenden Tempel, das römische Forum und das zur Hälfte freigelegte Amphitheater sehen. Errichtet während der Regierungszeit Cäsars, ist es eines der ältesten Italiens. Auf einer leichten Anhöhe erhebt sich im Norden der Stadt der kleinste von drei Tempeln. Früher als Ceres-Tempel bezeichnet, konnten ausgegrabene Votivgaben belegen, dass er in griechischer Zeit der Göttin Athena geweiht war. Um 500 v. Chr. errichtet, ist der zierliche Athena-Tempel jünger als die so genannte Basilika. Im Mittelalter diente der Tempel als Kirche. Südlich an das Forum schließt sich der heilige Bezirk des griechischen Heraion an. Ursprünglich von einer niedrigen Mauer umgeben, standen neben den beiden größten Tempeln der Stadt zahlreiche weitere Votivbauten, Schatzhäuser und Altäre, viele dem Kult der Göttin Hera geweiht. Der so genannte Poseidon-Tempel ist das am besten erhaltene Zeugnis klassisch griechischer Baukunst. Um 470 v. Chr. errichtet, ist er der jüngste der drei Tempel. Die um 550 v. Chr. errichtete sogenannte Basilika ist der älteste der drei großen Kultbauten Paestums und zugleich einer der größten der bis dahin aus Stein gebauten griechischen Tempel. Zunächst wurde der breit gelagerte Bau für eine Basilika gehalten, seit Entdeckung des Altars und zahlreicher Votivgaben konnte zweifelsfrei bewiesen werden, dass auch dieses Bauwerk als Tempel der Hera geweiht war.

Faszinierende Einblicke in Kult und Alltag der Antike bietet das 1952 eröffnete und 2000 um eine römische Abteilung erweiterte Archäologische Museum. Im Eingangsbereich sind die berühmten Reliefmetopen (Schmuckplatten aus dem Fries eines dorischen Tempels) zweier Heiligtümer aus dem Heraion an der Sele-Mündung ausgestellt, die bedeutendsten archaischen Bauskulpturen Großgriechenlands. Die zwischen 570 und 560 v. Chr. geschaffenen Metopen zeigen mythologische Szenen. Die freskengeschmückten Kammergräber aus lukanischer Zeit (4. bis 3. Jh. v. Chr.) sind ein Höhepunkt antiker Malerei. Die farbkräftigen, detaillierten Darstellungen verraten eine Menge über das Leben und den Totenkult dieses kriegerischen Volkes. Eine absolute Sensation ist das 1968 entdeckte Grab des Tauchers, das einzige bislang bekannte Beispiel griechischer Freskomalerei aus der Zeit der Klassik (um 480 v. Chr.). Der Grabdeckel wird von einer Darstellung unvergleichlicher Ausdrucksstärke geschmückt. Ein Jüngling springt voller Kraft von einem Turm in die Leere, unter ihm breitet sich ein schmaler Streifen Wasser aus. Die naheliegende Deutung bleibt dem Betrachter überlassen.

Einige Kilometer nördlich der Stadt lag an der Mündung des Sele ein weiteres Heiligtum der Hera Argiva. Von den Tempeln, Schatzhäusern und Altären ragen heute nur noch ein paar kümmerliche Grundmauern über das Gestrüpp. Bei Ausgrabungen konnten die beeindruckenden Relieffriese und Weihgaben gefunden werden, die heute im Eingangsbereich des Archäologischen Museums ausgestellt sind. In der Masseria Procuriali, in Gehdistanz zur Ausgrabung, rekonstruiert das multimediale Museo Narrante del Santuario di Hera Argiva eindrücklich die antike Kultstätte.

Vor Malaria und Sarazenen flüchteten im 10. Jh. auch die letzten Bewohner Paestums nach Capáccio. Der Ort lag wenige Kilometer von Paestum entfernt am Fuße der Monti Alburni oberhalb der Quellen des Capodifiume, des römischen Caput acque. In der Anbetung der Madonna mit dem Granatapfel lebt bis heute der griechische Hera-Kult fort. Das mittelalterliche Heiligtum Santuario Madonna del Granato (siehe W 1, R2) liegt an der SP 13 in Richtung Capáccio.

Den 15-minütigen Film "Paestum und Velia – Was steht und nicht vergeht"  aus der absolut sehenswerten SWR-Reihe "Schätze der Welt – Erbe der Menschheit" gibt es auf der Senderseite – dazu viele weitere, z.B. zu Pompeji oder der Costiera Amalfitana.

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